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GK Roskosmos
Moskau, 30. Dezember 2015 — Russland startet mit dem Jungfernflug einer Sojus 2.1a-Trägerrakete vom neuen Kosmodrom Wostotschny im Amur-Gebiet und einem neuen 10-Jahres-Programm in das Raumfahrtjahr 2016. Eigentlich sollte der neue Weltraumbahnhof bereits Ende Dezember eröffnet werden, aber die Arbeiten auf der Schlüsselbaustelle des Landes hinkten rund vier Monate hinter dem Plan her. Und so hat es Präsident Wladimir Putin in ungewohnt mildem Ton „gestattet“, den Termin in das „Frühjahr“ zu verschieben. Eine genaue Vorgabe machte er dabei vorsichtshalber aber nicht. Er deutete nur an, dass es ihn freuen würde, wenn das zum 12. April geschehen könnte. Dann feiern nämlich Russland und die ganze internationale Raumfahrtgemeinde den 55. Jahrestag des historischen Fluges von Juri Gagarin ins All.

Nach dem russischen Weihnachtsfest will die Militärisch-Industrielle Kommission (WPK) am 15. Januar entscheiden, wann mit der Montage und dann der Erprobung der Rakete begonnen wird, die sich schon seit Wochen im Montage- und Testkomplex (MIK) von Wostotschny befindet, aber immer noch werkmäßig verpackt ist, teilte der 1. stellvertretende Chef dieses Regierungsgremiums, Iwan Chartschenko, mit. Als voraussichtliches Datum ist der 19. oder 20. Januar im Gespräch. Voraussichtlich am 25. März soll die Sojus jetzt startklar sein.

Ebenfalls am 15. Januar will die Staatliche Korporation für Raumfahrtaktivitäten (GK) Roskosmos den Namen des neuen bemannten Raumschiffes bekannt geben, das einmal die altbewährten Sojus-Kapseln ablösen soll. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das Raumschiff Gagarin heißen wird, denn daneben stehen nur noch die eher nichtssagenden Bezeichnungen Vektor und Federazija (Föderation) zur Auswahl.

Gleich nach den Weihnachtsferien will der Staatskonzern Roskosmos der Regierung auch den Entwurf seines neuen Föderalen Weltraumprogramms (FKP) für die Jahre 2016-2025 zur Entscheidung vorlegen, der ebenfalls vor allem wegen Abstimmungsproblemen mit dem Finanzministerium überfällig ist. Wann der Kreml hier das letzte Wort spricht und welcher der drei Varianten mit abgestuftem Finanzbedarf er den Vorzug gibt, muss abgewartet werden. Eines aber ist schon jetzt klar: Es wird eine im Vergleich zum Erstentwurf abgespeckte Version herauskommen.

Das wirkt sich natürlich auf Umfang und Qualität der Vorhaben in den kommenden zehn Jahren aus. Dabei geht es in ersten Linie darum, den Glanz seliger Sowjetzeiten wieder herzustellen und die Branche international wettbewerbsfähig zu machen. Nach allem, was bisher durchgesickert ist, konzentrieren sich die Aufgaben auf drei Schwerpunkte. Das sind der Ausbau der Satellitenflotte für die Bereiche Telekommunikation, Erdfernerkundung und Weltraumnavigation, die Sicherung des unabhängigen Zugangs des Landes zum Weltraum durch das neue Kosmodrom Wostotschny sowie die Weltraumforschung, unbemannte Missionen zum Mond und zum Mars und die Entwicklung der bemannten Programme. Das neue Raumschiff soll dabei 2021 erstmals unbemannt und zwei Jahre später bemannt fliegen.

Die voraussehbaren Kürzungen des FKP-Etats sind der angespannten ökonomischen Lage des Landes geschuldet. Das Hauptopfer ist offenbar das im Vorfeld breit angekündigte bemannte Mondprogramm. 2029 – also 60 Jahre nach den USA – wollte auch Russland einen Menschen auf dem Erdtrabanten absetzen. Doch dafür fehlen dem Land derzeit die Mittel. Dennoch will der Kreml dieses große Ziel nicht ganz aus dem Auge verlieren. Und so sollen bis 2025 erst einmal noch fünf Mondsonden auf die Reise geschickt werden. Danach wird über den nächsten Schritt entschieden, der nach Aussage von Roskosmos-Chef Igor Komarow am besten in internationaler Kooperation erfolgt.

Indes sorgt der für das Militär und die Raumfahrt zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin gerade in dieser heiklen Frage für Irritationen. Er sagte am Mittwoch in einem TV-Interview, sein Land strebe „neue Lösungen“ an. Und wenn man frage, was dabei die Hauptaufgabe der zivilen Raumfahrt sei, laute die Antwort: „Das ist nicht der Mond, nicht der Mars, die Hauptaufgabe ist – der billige Kosmos. Dabei folgen uns unsere Konkurrenten auf dem Fuß. Wir suchen eine Lösung, die es uns ermöglicht, die Starts unserer Raumschiffe billiger zu machen. Und diese Lösungen werden natürlich gefunden.“

Jetzt darf nicht nur die Fachwelt rätseln, was mit dem Mondprogramm wird. Aber vielleicht ist das auch nur wieder ein verbaler Ausrutscher des Vizepremiers mit der bekannt lockeren Zunge.

(c)  Gerhard Kowalski