Koroljow, 15. Dezember 2015 — Die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS ist wieder komplett. Nach genau sechseinhalbstündigem Flug hat das Raumschiff Sojus TMA-19M mit dem Russen Juri Malentschenko, dem Amerikaner Timothy Kopra und dem britischen ESA-Astronauten Timothy Peake am Dienstag um 18.33 Uhr deutscher Zeit und damit 10 Minuten später als geplant an der Station angelegt. Das Manöver erfolgte manuell und nicht wie eigentlich vorgesehen automatisch. Grund war ein Fehler im automatischen Annäherungs- und Kopplungssystem 16 Meter vor dem Ziel . Dadurch musste Sojus-Kommandant Malentschenko die Sache im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand nehmen. Die Männer waren um 12.03 Uhr an der Spitze einer Sojus-FG-Trägerrakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan gestartet, teilte das Flugleitzentrum (ZUP) in Koroljow bei Moskau mit.
Das Trio wurde nach dem Umstieg herzlich von Michail Kornijenko, Sergej Wolkow (beide Russland) und Scott Kelly (USA) begrüßt, die seit Freitag allein auf der Umlaufbahn gearbeitet haben. Denn ihre Kollegen Oleg Kononenko (Russland), Kjell Lindgren (USA) und Kimiya Yui (Japan) mussten gut eine Woche früher zur Erde zurückkehren, da der gesamte ISS-Fahrplan durch einen Progress-Fehlstart im April durcheinander geraten war.
Die Neuankömmlinge bringen neben Weihnachts- und Neujahrsgeschenken auch neue Filme für die Bordbibliothek mit. Dazu gehört unter anderem die neueste Star Wars-Episode „Das Erwachsen der Macht“, die erst am gestrigen Montag Weltpremiere hatte.
Malentschenko, Kopra und Peake sollen 174 Tage im All bleiben. Bis Anfang Juni nächsten Jahres müssen sie eine Fülle von wissenschaftlichen und technologischen Experimenten durchführen, die ersten beiden russischen Frachtraumschiffe der neuen Progress MS-Serie, das bemannte Raumschiff Sojus TMA-20M und private US-Dragon– und Cygnus-Frachter empfangen sowie einen Ausstieg in den freien Raum absolvieren.
Für den Russen ist das bereits der sechste Flug in den Weltraum, für den Amerikaner der zweite. Der Brite ist Weltraumneuling und der achte ESA-Langzeitflieger. Er ist zugleich der zweite Brite im All nach seiner Landsmännin Helen Sharman, die 1991 eine Woche lang in der russischen Raumstation MIR geforscht hat. Peake, der sich nach eigener Aussage in der Vorbereitung sehr schwer mit dem Russischen tat, will im Frühjahr auf dem Laufband der Station den London-Marathon absolvieren. Mit geplanten dreieinhalb bis vier Stunden will er dabei keinen neuen Rekord aufstellen. Denn er ist den Marathon 1999 in 3 Stunden und 18 Minuten gelaufen.
Malentschenko, der am 22. Dezember seinen 54. Geburtstag in der Station feiert, hat bisher 641 All-Tage und fünf Ausstiege von zusammen rund 30 Stunden Dauer auf seinem Konto. Nach seiner Rückkehr belegt er mit 815 Tagen hinter Gennadi Padalka (878 Tage bei 5 Flügen) dann den zweiten Platz auf der Langzeitweltrekordfliegerliste. Malentschenko, der als Leiter der 1. Abteilung im Kosmonautenausbildungszentrum (ZPK) „Juri Gagarin“ im „Sternenstädtchen“ bei Moskau für die Vorbereitung des Nachwuchses verantwortlich zeichnet, ist zudem der erste Raumfahrer, der während einer Mission ferngetraut wurde. Bei seinem dritten Flug heiratete er 2003 eine Amerikanerin russischer Abstammung. Sie erlebte die Trauung im NASA-Kontrollzentrum in Houston (Texas). Das Paar hat zwei Kinder.
Der Texaner Kopra ist Absolvent der Elite-Militär-Akademie West Point, des Technologischen Instituts von Georgia und einer Testpilotenschule in Maryland. Er war stellvertretender Kommandeur einer Luftlandedivision in Kentucky und hat 1990/91 unter anderem an den Operationen „Wüstenschild“ und „Wüstensturm“ im Nahen Osten teilgenommen. Zudem war er im hessischen Hanau Kommandeur einer Kampfhubschrauber-Einheit.
(c) Gerhard Kowalski