Moskau, 26. August 2015 — Jetzt ist es offiziell: Russlands arbeitet an einer superleichten Trägerrakete mit einer wiederverwendbaren Erststufe. Das erste Demonstrationsmodell der Rossijanka (Russin) aus dem Staatlichen Raketenzentrum (GRZ) Makejew soll im kommenden Jahr fertig sein, sagte Generaldirektor und Chefkonstrukteur Wladimir Degtjar der Nachrichtenagentur TASS. Die Triebwerke des zweistufigen Trägers aus dem Issajew-Konstruktionsbüro sollen mit flüssigem Sauerstoff und Erdgas gespeist werden. Die Erststufe soll durch mehrmaliges kurzzeitiges Zünden der Triebwerke wieder an den Startort zurückkehren.
Wie das Raketenzentrum ergänzend mitteilte, besteht der „Demonstrator“ der Rossijanka aus einem Modell der Rakete, das bereits über die technologischen Hauptmöglichkeiten des Endprodukts verfügt.
Bereits am vergangenen Donnerstag hatte die Moskauer „Iswestija“ gemeldet, dass Russland nach langjähriger Pause wieder die Idee der Entwicklung einer wiederverwendbaren Trägerraketenstufe aufgreift. Spätestens 2025 solle das erste Flugmuster mit einem Aufwand von umgerechnet knapp 170 Millionen Euro gebaut werden. Das Blatt berief sich dabei auf den Entwurf des neuen Föderalen Weltraumprogramms (FKP) für die Jahre 2016-25, das im Herbst verabschiedet werden soll. Bei dem Wiederverwendbaren Raketenkosmischen System der ersten Etappe (MRKS-1), wie das Projekt offiziell heiße, gehe es um eine leichte Trägerrakete, deren erste ausbrannte Stufe wie ein Flugzeug zum künftigen Startplatz Wostotschny im Amurgebiet zurückkehren könne, schrieb das Blatt. Die Rakete könne Nutzlasten bis zu einer Tonne in den niedrigen Erdorbit schießen.
Die damalige Sowjetunion hat bereits in den 1980er Jahren beim Buran-Programm mit einer wiederverwendbaren Raketenstufe experimentiert. 2001 stellte der Raumfahrtkonzern Chrunitschew erstmals ein Modell unter der Bezeichnung Baikal auf dem Pariser Raumfahrtsalon in Le Bourget vor. Die Verwirklichung des Vorhabens sollte damals im Rahmen der neuen Angara-Trägerraketenfamilie erfolgen. Doch dazu ist es nicht gekommen.
Auch das private US-Unternehmen SpaceX arbeitet mit seiner Falcon-9-Rakete an einem solchen System.
(c) Gerhard Kowalski
Hallo,
einmal heißt es „wie ein Flugzeug“ dann wie „SpaceX“. Das sind allerdings technologisch höchst unterschiedliche Ansätze ob die Erststufe wie einst beim Baikal Entwurf Flügelstummel ausfährt, oder aber eben auf einem wieder zündbaren, voll regelbaren Triebwerk balanciert.
Hallo Herr Sänger,
stimmt, das ist ein Widerspruch. Danke für den Hinweis. Die Übereinstimmung mit der Falcon-9 besteht darin, dass auch hier die Triebwerke der Erststufe für das Brems- und Rückführungsmanöver benutzt werden.
Auf das und nicht mehr habe ich hinweisen wollen. Weitere Einzelheiten haben die Russen bisher leider nicht mitgeteilt. Das Baikal-System soll aber nicht kopiert werden.
Besten Gruß
G. Kowalski
Ausfahrbare Flügelstummel wären das robustere Konzept. Zweifach regelbare Triebwerke für green propellant sind dagegen Neuland und haben zudem eine höhere Versagenswahrscheinlichkeit. Das wissen die russischen Konstrukteure aber alles selbst und vielleicht ist das auch der Grund, dass man zwar das Thema „Wiederverwendbarkeit“ aufgreifen will, die Details aber noch nicht kommunizieren kann.
P.S. beide Alternativen wären aber immer noch besser als der Vorschlag von Airbus ein Nebenstromtriebwerk rückführen zu wollen.
Das könnte gut sein. Ich bin aber kein Fachmann auf diesem Gebiet.
GK
Hallo,
vielen Dank für die interessanten Informationen. Vielleicht noch zwei Anmerkungen. Interessanter noch als die Brennraumtemperaturen der Zeldovich-Entwicklung, wären die resultierenden Brennkammerdrücke. Leider hat sich die westliche Forschung hier nie besonders engagiert und entsprechende Tabellen vernachlässigt.
Sogenannte Green Propellants tauchen aus verschiedenen Gründen inzwischen bei vielen künftigen Projekten auf. Dabei wird aber selten darauf hingewiesen, dass deren spezifischer Impuls geringer ist. Also würden auch die entsprechenden Nutzlasten geringer.
Hallo,
würde der Brennkammerdruck nicht von der Pulsfrequenz des Triebwerks abhängig sein? Sind es bei 200Hz dann immer noch nur 50Bar?
Acetam ist jetzt aber nicht gerade ein green propellant. Jedenfalls scheinen einige interessante Entwicklungen auf uns zuzukommen und die Raumfahrt hat es bitter nötig!
es ist das Problem der Raumfahrt weltweit, dass sie von Steuergeldern abhängig ist. Das haben bisher keine Systemvarianten, auch keine Silane und keine Acetame ändern können. Es geht also weiter darum ein möglichst günstiges, zuverlässiges und umweltverträgliches Transportsystem zu installieren. Wenigstens in Westeuropa wird der Weg nicht wirklich konsequent angegangen weil andere Interessen dominieren. Wer aber macht es wirklich besser? Wem das nicht gelingt wird nämlich auch nicht zum Mond, Mars oder wohin auch immer fliegen. Dabei ist eine interplanetare Sonde oder ein Raumschiff wieder eine andere technologische Herausforderung.
Die Russische Föderation hat das gleiche Problem wie die meisten anderen Raumfahrtnationen auch. Es setzten sich weniger die besten Ideen als die mächtigsten Vertreter durch. Dazu kommt, dass viele neue Ideen auch Schwachpunkte haben, mit denen man aber nicht hausieren geht. Das Ergebnis ist, dass die Entwicklung der letzten 50 Jahre eher sehr konventionell war. Wie kann sich das in Zukunft ändern? Vor 20 Jahren hatte ich dazu mit Prof. Lozino-Lozinsky ein langes Gespräch. Er war sicher, dass sich auf Dauer das Beste durchsetzen wird. Er hat dafür aber nicht lange genug gelebt – und ich fürchte, das wird noch mehr Beteiligten so gehen.
Danke für die umfassenden Erläuterungen.
GK
Auch hier hat sich meine Vermutung bestätigt.
Arbeiten an der Wiederverwendung der ersten Stufe wurden eingestellt, sind für Russland aus ökonomischen Gründen unbequem, so die Aussage von Komarow. Wiederaufnahme der Arbeiten ist erst nach 2025 vorgesehen, aber auch hier habe ich starke Zweifeln. Die geichzeitige Entwicklung von mehreren Trägerraketen (Sojus-5, Schwerlastträgerrakete, MRKN) kann sich ein Schwellenland wie Russland sowas nicht leisten, das geht nicht. Hier muss und wird Roskosmos die Leine ziehen müssen.
In den letzten Jahren wurden umfangreiche aerodynamische Test der wiederverwendbaren MRKN Stufe bei ZAGI gemacht, ab 2016 sollten die Arbeiten bei Chrunischew, wurde Sieger bei Ausschreibung der Trägerrakete, weiter gehen. Der erster Start war für 2028 vorgesehen.