Koroljow, 5. Juli 2015 — Ein russisches Frachtraumschiff mit 2,4 Tonnen Nachschub an Bord hat am Sonntagmorgen perfekt an der Internationalen Raumstation ISS angedockt. Progress M-28M machte um 9.11 Uhr deutscher Zeit automatisch am Pirs-Modul fest, teilte das Flugleitzentrum (ZUP) in Koroljow bei Moskau mit. Der Frachter war am Freitag an der Spitze einer Sojus-U-Trägerrakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan gestartet.
Progress M-28M bringt Treibstoff, Trinkwasser, Sauerstoff, Lebensmittel, wissenschaftliche Geräte, Ersatzteile und Verbrauchsmaterial sowie frisches Obst und Post für die dreiköpfige russisch-amerikanische Besatzung auf die Umlaufbahn. Da aber in den vergangenen beiden Monaten ein russischer und ein US-Frachter verloren gegangen waren, wurde der Lebensmittelanteil um rund 100 Kilogramm aufgestockt.
Gennadi Padalka, Michail Kornijenko (beide Russland) und ihr US-Kollege Scott Kelly nahmen den Nachschub freudig in Empfang. Kelly hatte im Vorfeld bei einer Direktübertragung aus der Station in Anspielung auf das Trio gesagt: „Ich hoffe, dass Gott die Dreieinigkeit liebt.“ Er gehe aber davon aus, dass Progress pünktlich eintreffe, fügte der Amerikaner hinzu, der mit Kornijenko auf einem Einjahresflug ist, von dem bereits 99 Tage hinter ihnen liegen.
Russland hatte für die jüngste ISS-Mission ungewöhliche Maßnahmen getroffen, denn der vorangegangene Frachter Progress M-27M war Anfang Mai wegen technischer Probleme mit der dritten Stufe der neuen Sojus-2.1a-Trägerrakete abgestürzt. Aus Sicherheitsgründen kam diesmal deshalb wieder die alte U-Version des Trägers zum Einsatz, die als besonders zuverlässig gilt. Außerdem wählte man statt des Sechs-Stunden- wieder das alte Zwei-Tage-Anflugschema. Damit wollte das ZUP Zeit gewinnen, um notfalls eingreifen zu können, sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen.
Nach dem Absturz des privaten US-Frachters Dragon vom vergangenen Sonntag hat die Moskauer Raumfahrtbehörde Roskosmos ihrem US-Partner NASA das Angebot gemacht, für sie zusätzliche Gütertransporte zur ISS zu übernehmen, sollten die amerikanischen Frachter für längere Zeit ausfallen. Experten gehen davon aus, dass der nächste Dragon-Start möglicherweise erst Anfang nächsten Jahres stattfinden kann, weil noch die genauen Ursachen für den Fehlschlag ermittelt werden müssen, die offenbar in der zweiten Raketenstufe zu suchen sind. Der verunglückte Dragon-Frachter hatte auch den ersten von zwei Kopplungsadaptern für das Harmony-Modul an Bord, an dem ab Ende 2017 private bemannte US-Raumschiffe anlegen sollen. Derzeit ist noch nicht klar, ob und wie lange dieses Programm jetzt hinausgezögert wird.
Zur Erinnerung: Bereits im Oktober 2014 war eine Antares-Rakete mit dem Cygnus-Frachter des Orbital-Konzerns beim Start explodiert, so dass auch hier der weitere Startplan erheblich durcheinander geraten ist.
Die Sojus-2.1a ist derzeit noch für den Einsatz bei ISS-Missionen gesperrt. Allerdings ist inzwischen eine solche Rakete problemlos mit einem russischen Militärsatelliten vom Kosmodrom Plessezk gestartet. Nach weiteren Tests im unbemannten Betrieb soll die Sojus-2.1a auch bemannt fliegen.
(c) Gerhard Kowalski