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Credit: Roskosmos

Moskau, 8. April 2010 — Zum 50. Jahrestag seiner Gründung präsentiert sich das „Sternenstädtchen“  vor den Toren Moskaus nicht gerade in bester Verfassung. Das Kosmonautenausbildungszentrum „Juri Gagarin“ und seine Wohnstadt zeigen zum Jubiläum, das eigentlich schon Anfang März war, aber erst zusammen mit dem „Tag der Raumfahrt“ am 12. April begangen wird, unübersehbar Verschleißerscheinungen. Die Trainingseinrichtungen, in denen sich heute die russischen Kosmonauten und ihre ausländischen Kollegen auf ihre Flüge zur Internationalen Raumstation ISS vorbereiten, stammen zumeist noch aus den 1980er Jahren, die Infrastruktur ist marode, und an den Häusern blättert der Putz.

Das soll sich jetzt aber ändern. Bei einem Arbeitsbesuch hat Ministerpräsident Wladimir Putin dieser Tage dekretiert, dem „Stolz unseres Landes“ müsse deshalb jetzt „neues Leben“ eingehaucht werden. Natürlich sei das Zentrum „ein einzigartiges Objekt“, das „auch heute noch seine Rolle erfüllt und den Anforderungen entspricht“, fügte er hinzu. Doch um auch  in Zukunft die Führungsrolle Russlands in der Raumfahrt zu sichern, müsse nicht nur noch viel für die materielle und Trainingsbasis, sondern auch für die soziale Sphäre getan werden. All das werde im Rahmen eines Planentwurfs geschehen, der von der nationalen Raumfahrtagentur Roskosmos vorgelegt worden sei, versicherte der Premier.

Dabei ist Eile geboten. Denn schon in einem Jahr, am 12. April 2011, jährt sich zum 50. Mal der Flug von Juri Gagarin als erster Mensch ins All. Dieses epochale Ereignis, das hier im „Sternenstädtchen“ seinen Anfang nahm, wird in Russland ganz groß gefeiert, und Putin höchstpersönlich ist der Vorsitzende des Vorbereitungskomitees. Das nährt die Hoffnung, dass es an Geld für das Projekt nicht mangeln werde. Einzelheiten wurden aber noch nicht bekannt.

Wie es wirklich um den Jubilar steht, haben Roskosmos-Chef Anatoli Perminow, der Leiter des Kosmonautenausbildungszentrums, Sergej Krikaljow, und Bürgermeister Alexander Wolkow schon vor dem Putin-Besuch unverblümt beschrieben. Was er gesehen habe, stimme ihn „einigermaßen pessimistisch“, hatte Perminow in einer ersten Bestandsaufnahme nach der Übergabe der Einrichtungen des einstigen geschlossenen „Militärstädtchens Nr. 1“ durch das Militär an seine Agentur vor gut einem Jahr gesagt. Diese Stadt, die übrigens auch unter ziviler Verwaltung weiter geschlossen bleibt, brauche „eine moderne Infrastruktur und ein modernes wissenschaftliches Umfeld“. Zudem müssten die Ausbildung „dringend verbessert und ausgebaut“ werden.

Credit: Roskosmos
Credit: Roskosmos

Krikaljow fordert mehr Geld für seine Einrichtung. Er brauche „zweieinhalbmal mehr Mittel als heute“, um qualifizierte Kader anzuwerben und seine Infrastruktur und Trainingseinrichtungen auf dem erforderlichen Niveau zu erhalten, sagte der Sechsfachkosmonaut. Es fehle schlicht und einfach das Geld für die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit der Trainingstechnik und ihre Modernisierung.

Bürgermeister Wolkow klagte: „Die Häuser haben Risse, das Einkaufszentrum ist in einem unzureichenden Zustand, der Reparaturstützpunkt im Stadtzentrum bietet einen schrecklichen Anblick.“ Im Winter habe es mehrere Wasserrohrbrüche gegeben, so dass Keller überschwemmt worden seien. Mit der Schule sehe es nicht besser aus. Einwohner hätten ihm berichtet, dass mehrere Blöcke in den vergangenen 50 Jahren nicht grunderneuert worden seien. „Und gerade in diesen Häusern wohnen auch die Familien der ersten Kosmonauten, einschließlich der Witwe von Juri Gagarin“, empörte sich Wolkow, der selbst von der Misere betroffen ist.

Wolkow hofft nun, dass bald die Bauleute anrücken und alles jubiläumsfein machen. Das Einzige, was in letzter Zeit gebaut wurde, war eine Kirche. Vielleicht fällt dann auch für einen der jüngsten Nachfolger Gagarins, Maxim Surajew, endlich eine „normale“ Wohnung ab. Der Luftwaffenoberst, der erst Mitte März von seinem Halbjahresflug in der ISS zurückgekehrt ist, hatte sich bei Putin beklagt, dass er immer noch in einer Dienstwohnung leben müsse. Deshalb geniere er sich manchmal, seine amerikanischen Kollegen zu sich einzuladen.

(Material für ddp)