Cape Canaveral, 5. April 2010 — Frauenpower im All: Mit dem Start des US-Shuttles „Discovery“ am Ostermontag vom Kennedy Space Center (KSC) in Florida sind erstmals in der Geschichte der Raumfahrt vier Astronautinnen gleichzeitig auf der Umlaufbahn. Drei von ihnen befinden sich an Bord der Raumfähre, was für sich schon eine neue Bestmarke bedeutet, die vierte war bereits am Ostersonntag mit einer „Sojus“-Kapsel in der Internationalen Raumstation angekommen. Gemeinsam mit ihren vier männlichen Shuttle- und fünf ISS-Kollegen treiben sie nach dem Andocken der „Discovery“ am Mittwoch eine gute Woche lang den Ausbau der Erdaußenstation zielstrebig voran. Erstmals gibt es damit auch ein weibliches Quartett in diesem Raumfahrtkomplex mit insgesamt 13 Bewohnern aus den USA, Russland und Japan.
Drei der vier Ladies sind Amerikanerinnen: Stephanie Wilson (43), Dorothy Metcalf-Lindenburger (34) und Tracy Caldwell Dyson (40), die Vierte im Bunde, Naoko Yamazaki (39), Japanerin. Wilson ist bereits das dritte Mal im Shuttle unterwegs. Sie wünscht sich, dass noch mehr Frauen ihrem Beispiel folgen. „Wir befinden uns dabei erst am Anfang, aber dieser Start ist grandios“, sagte sie. Immer mehr Frauen erfüllten im Weltraum dieselben Aufgaben wie die Männer. Für Caldwell Dyson ist es die zweite Mission. Die beiden anderen sind Weltraumneulige. Nach ihrem Erstflug im August 2007 mit der Raumfähre „Endeavour“ hat Caldwell Dyson jetzt die russische Technik kennen und schätzen gelernt. Die „Sojus“-Kapseln seien zwar kleiner als die Shuttles, aber sehr zuverlässig, sagte sie vor dem Start am Karfreitag im kasachischen Baikonur.
Auch die Russen und die Japaner melden Premieren. So sind mit Oleg Kotow, Alexander Skworzow und Michail Kornijenko erstmals drei russische Kosmonauten bei einen Langzeitflug in der ISS. Zudem verweist die Moskauer Raumfahrtagentur darauf, dass zum ersten Mal alle vier Kopplungsstutzen an ihrem Segment besetzt sind. Japan darf sich rühmen, mit Yamazaki und dem ISS-Bordingenieur Soichi Noguchi erstmals gleich zwei seiner Bürger zeitgleich auf der Umlaufbahn zu haben.
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass sich das schöne Geschlecht knapp 50 Jahre nach der ersten Kosmonautin der Welt, der Russin Walentina Tereschkowa, einen festen Platz in der Raumfahrt erobert hat. 55 der 517 Erdenbürger, die bisher im All waren, sind Frauen. Mit 45 kommt das Gros von ihnen aus den USA. Sie sind bis auf ganz wenige Ausnahmen mit den Shuttles geflogen, deren Besatzungszahl zwischen sechs und sieben Astronauten variiert.
Russland landet dagegen mit seinen lediglich drei Kosmonautinnen weit abgeschlagen auf Rang zwei. Das rührt aus seinem eigenartigen Verständnis von der Gleichberechtigung der Frau und deren Rolle in der Gesellschaft überhaupt her. Nachdem der Flug von Tereschkowa 1963 aus Sicht des damaligen Chefkonstrukteurs Sergej Koroljow (1907-66) alles andere als gelungen war, hatte er das weibliche Kosmonauten-Korps kurzerhand aufgelöst. Erst 1982 flog die zweite Russin ins All, die dritte dann 1994. Nach zehnjährigem vergeblichem Warten auf eine Mission hat 2004 die vierte potenzielle Kandidatin entnervt aufgegeben. Derzeit hat das Land lediglich eine Frau neben rund 40 Männern im Training. Allerdings ist sie noch keinem der auf Jahre voraus geplanten Flüge zugeordnet. Deshalb tendiert auch der Wunsch der jungen Russinnen, sich für diesen Beruf zu bewerben, gegen Null.
Japan und Kanada teilen sich mit je zwei Astronautinnen Platz drei der Hit-Liste. Frankreich, Großbritannien und Südkorea stehen mit jeweils einer Raumfahrerin zu Buche, Italien ist auf dem Sprung. Deutschland hat zwar schon zehn Astronauten ins All geschickt, aber eine Frau sucht man darunter vergebens. Mehr noch: Es ist auch weit und breit keine in Sicht.
(Material für ddp)