Berlin/Baikonur — Fliegender Wechsel in der Internationalen Raumstation ISS, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Noch ist die US-Raumfähre „Discovery“ nach ihrer erfolgreichen Aufbaumission auf dem Rückflug nach Cape Canaveral (Florida), da ist die 19. Stammbesatzung schon auf dem Weg zur Station. Pünktlich um 12.49 Uhr MEZ hob die Trägerrakete mit dem Raumschiff „Sojus TMA-14“ an der Spitze vom Kosmodrom Baikonur (Kasachstan) ab. Nach zweitägiger Verfolgungsjagd wollen der russische Kommandant Gennadi Padalka und sein amerikanischer Bordingenieur Michael Barratt am Samstag um 14.14 Uhr MEZ an der ISS anlegen. Dritter Mann an Bord ist US-Weltraumtourist Charles Simonyi, der damit schon zum zweiten Mal nach 2007 für einen saftigen Millionen-Betrag für eine Woche ins All fliegt. Die US-Raumfähre wird am Samstag gut vier Stunden später, um 18.42 Uhr MEZ, zurückerwartet.
Dreifachkosmonaut Padalka und der Weltraumneuling Barratt lösen ihre Landsleute Juri Lontschakow und Michael Fincke ab, die seit einem halben Jahr als 18. Stammbesatzung in der ISS Dienst tun und am 7. April mit Simonyi nach Hause fliegen . Mit dem Japaner Koichi Wakata als Drittem20im Bunde bilden sie im Gegensatz zu der bisherigen Praxis für ledi glich zwei Monate die neue Stamm-Crew. Ende Mai beginnt dann eine neue Ära: Mit den Neuankömmlingen Roman Romanenko (Russland), Robert Thirsk (Kanada) und Frank de Winne (Belgien/ESA) erreicht die Besatzung der Station rund zehn Jahre nach Baubeginn ihre Soll-Stärke von sechs Astronauten. Der dann 20. Stammcrew gehören damit auch erstmals Vertreter aller an diesem größten technischen Projekt der Menschheitsgeschichte beteiligten Partner an.
Das erste Sextett, das ebenfalls unter dem Kommando von Padalka steht, hat ein umfangreiches Flugprogramm zu erfüllen. Dazu gehören neben 43 wissenschaftlichen Experimenten auch zwei „Weltraumspaziergänge“. Dabei soll die Station unter anderem auf den Empfang des russischen Kleinen Forschungsmoduls-2 (MIM-2) vorbereitet werden. Außerdem empfangen die Männer zwei Space Shuttles, zwei „Progress“-Versorgungsraumschiffe und den ersten japanischen Weltraumfrachter HTV-1. Letzterer stellt die Besatzung vor eine besondere Aufgabe. Da er über kein eigenes Kopplungsaggregat wie etwa sein russisches oder europäisches Pendant verfügt, muss er so nahe wie möglich an die Station manövriert werden. Ein Roboterarm fängt den Frachter dort ein und verankert ihn am US-Verbindungsknoten „Harmony“.
Mit der 20. Stammbesatzung beginnt auf der Station auch die Ära der „getrennten Haushaltsführung“ zwischen den russischen Kosmonauten und den Astronauten der anderen Partnerländer. „Ab Juni wird bei uns alles getrennt – die Lebensmittel, die Bekleidung, die Toiletten, die Lieferungen und die Ausstiege in den freien Raum“, verkündete Padalka vor dem Start. Alle Versorgungsgüter für die Russen würden also künftig mit den eigenen „Progress“-Frachtern auf die Umlaufbahn gebracht, die für die anderen Partner mit den US-Shuttles sowie den europäischen
ATV- und den japanischen HTV-Transportern. Natürlich werde man einander im Notfall helfen.
Die „Gütertrennung“ werde aber auf der Erde von einer Kommission streng überwacht, damit sich keine Seite einen Vorteil verschafft.
„Gemeinschaftseigentum“ blieben hingegen an Bord die „medizinischen Ausrüstungen und alle Einrichtungen der Station für Havariesituationen“, wie die Enthermetisierung oder Brände, präzisierte der Kosmonaut. Die „Buchhalterarbeit“ werde aber keinerlei Einfluss auf das Leben der internationalen Besatzung haben, versicherte Padalka. Es werde in der Station „weder im direkten noch übertragenen Sinne Grenzen oder Schlagbäume geben“.
(Veröffentlicht am 26. März 2009)