Berlin/Moskau, 24. März 2010 — Überraschende Wende in der „Weizenaffäre“ an Bord der Internationalen Raumstation ISS: Nur wenige Tage nach seiner Rückkehr aus dem All hat der russische Kosmonaut Maxim Surajew dementiert, das Saatgut dafür auf die Umlaufbahn geschmuggelt zu haben. „Ich habe keine Weizenkörner zur ISS gebracht, schon gar nicht als Schmuggelware“, sagte er in einem am Mittwoch auf der Homepage der Raumfahrtagentur Roskosmos veröffentlichten Interview. Alles habe sich ganz anders abgespielt, als in den Massenmedien dargestellt, fügte er hinzu.
Richtig sei vielmehr, dass er das Saatgut gefunden habe, als er ein Experiment zur Aufzucht von Salat durchführen wollte, betonte Surajew. In dem Behälter mit dem Salat-Saatgut habe er auch eine „kleine Tüte“ mit Weizensamen entdeckt. Daraufhin habe er beschlossen zu probieren, „ob er wächst oder nicht“. Er habe den Weizen also ausgesät und erst später die Experten des Moskauer Instituts für Medizinisch-Biologische Probleme (IMBP) darüber informiert und gefragt, ob sie etwas dagegen hätten. „Im Institut war niemand gegen dieses Experiment“, sagte der Kosmonaut jetzt. Von dem Moment an sei der Versuch, den er in seiner Freizeit als Hobby-Agronom begonnen habe, in das offizielle Arbeitsprogramm übernommen worden, das täglich bis auf die Minute aufgeschlüsselt sei.
Vor ein paar Wochen hatte sich die Sache noch ganz anders angehört. In seinem Blog schrieb Surajew, er habe die Körner als „Schmuggelware“ ausgesät. Der Aufforderung der Wissenschaftler, die “illegalen” Pflanzen zu vernichten, sei er nicht nachgekommen. „Entschuldigen Sie, Genossen Wissenschaftler, aber ich konnte das nicht. Er (der Weizen) wächst so klasse”, schrieb er zur Erklärung und hielt die sattgrünen Halme in die Kamera. Doch dann habe man ihm Grünes Licht gegeben.
Wie dem auch sei: Das Experiment wurde ein voller Erfolg. Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt ist Zwergweizen (Superkarlik) voll in der Schwerelosigkeit ausgereift. „Wir sind mit dem Ergebnis des ´Schmuggels´ sehr zufrieden”, hatte Margarita Lewinskich vom IMBP damals der Nachrichtenagentur ITAR-TASS gesagt. “Superkarlik” sei eine “rätselhafte Sorte”. Sie reagiere viel empfindlicher als andere Weizensorten auf Umweltverschmutzung. Das betreffe vor allem den Äthylenanteil in der Atmosphäre der ISS. So habe man in der Vergangenheit schon zweimal im russischen Orbitalkomplex MIR erfolglos versucht, diese Sorte zu züchten.
Derzeit untersucht das Institut die Weizenhalme, die Surajew sorgfältig getrocknet und am Donnerstag vergangener Woche mit zur Erde zurückgebracht hat.
(Material für ddp)