Köln, 10. Februar 2015 — Bis zu 20 Meter seiner obersten Schicht könnte der Komet Tschurjumow-Gerassimenko auf seiner bisher unbeleuchteten Südseite verlieren, wenn dort ab Mai 2015 die Sommerhitze herrscht. Die „Schlankheitskur“, bei der der Komet Gas und Material seines Kerns ins All schleudert, werde durch die intensive Erwärmung bei der Annäherung an die Sonne ausgelöst, teilte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln mit. Die nördliche Hemisphäre hingegen verliert deutlich weniger, schätzen die Kometenforscher Horst Uwe Keller und Stefano Mottola, die die mögliche Erosion aus Daten der OSIRIS-Kamera berechnet haben.
Die Modellrechnung zeigt: Mit jeder seiner fast sechseinhalbjährigen Umlaufbahnen um die Sonne verliert der Komet gegenwärtig gewaltig an Oberfläche – und dies vor allem auf der Südseite, mit einem kurzen, aber sehr intensiven Sommer. „Der Komet häutet sich quasi ständig und zeigt frisches, unverbrauchtes Material an seiner Oberfläche, das noch nicht durch die kosmische Strahlung gealtert ist“, sagte Ekkehard Kührt, der die wissenschaftlichen Beteiligungen des DLR an der Rosetta-Mission leitet.
Um den Verlust an Kometenmaterial abzuschätzen, nutzten die OSIRIS-Wissenschaftler ein Oberflächenmodell des Kometen und unterteilten dieses in 100.000 kleine Dreiecke. So konnte berücksichtigt werden, dass es auch beschattete Flächen beispielsweise in Kraterstrukturen gibt oder die schroffen Bergwände die Sonnenstrahlung auf nahe liegende Berghänge reflektieren und so verstärken. „Wir gehen in unserer Modellrechnung davon aus, dass das Wassereis in den aktiven Gebieten nur von einer sehr porösen, dünnen Staubschicht bedeckt ist“, sagte Keller. Zudem werde offenbar etwa vier Mal mehr Staub als Eis ins All geschleudert.
Für den Lander Philae ist der anstehende heiße Sommer von Vorteil: Er kann dann an seinem Standort nahe des Kometen-Äquators Energie tanken und wieder aus dem Winterschlaf aufwachen. Frühestens Ende März besteht die erste Möglichkeit, dass Philae sich meldet: Im Mai sind die Chancen am größten, dass das DLR-Kontrollzentrum wieder Kontakt mit ihm aufnehmen kann.
© Gerhard Kowalski