Moskau, 28. Januar 2015 — Russland plant, die Ausgaben für die Raumfahrt 2015 um zehn Prozent zu senken. Das hat der Chef des Koordinierungszentrums für die Umgestaltung der Vereinigten Luft- und Raumfahrtkorporation (ORKK), Grigori Chworostjanow, auf einer gemeinsamen Sitzung des Expertenrates der Militärisch-Industriellen Kommission (WPK) der Regierung und der Handels- und Industriekammer mitgeteilt. Er berief sich dabei auf „Forderungen der Regierung“ im Rahmen der Budget-Debatte, wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtet. Zugleich warnte Chworostjanow davor, dass eine abgesenkte Finanzierung die ökonomische Lage der Unternehmen der Branche „ernsthaft“ verschlechtern, zu einer größeren Kreditabhängigkeit führen und womöglich den gesamten Industriezweig in Gefahr bringen könnte.
Eine Woche nach Gründung der neuen Raumfahrt-Dachorganisation Staatliche Korporation (GK) „Roskosmos“ durch die Fusion der ORKK mit der Weltraumagentur Roskosmos ist eine heftige Debatte über die künftige Ausrichtung der einstigen Vorzeigebranche entbrannt. So fordert der Direktor des Zentrums für Weltraumverbindungen „Skolkowo“, Alexandr Krylow, Russland müsse auf die Entwicklung einer „kämpferischen Raumfahrt“ setzen. Die breite Nutzung kommerzieller Satellitensysteme bei militärischen Konflikten und Friedensmissionen sowie die Einführung standardisierter militärischer Nebennutzlasten auf solchen Satelliten sei „eine der Hauptrichtungen“, in die die Branche gehe.
Zudem will Krylow die bemannte Raumfahrt nach dem Ende der Internationalen Raumstation ISS quasi verbieten. „Nach dem Ende der ISS muss ein Moratorium für bemannte Flüge eingeführt werden“, forderte er. Denn aufgrund der physiologischen Besonderheiten des menschlichen Organismus könne von Flügen zum Mars und zum Mond keine Rede sein.
Das Korrespondierende Mitglied der „Ziolkowski“-Raumfahrtakademie, Andrej Ionin, plädiert indes dafür, im Rahmen der BRICS-Länder Brasilien, Indien, China und Südafrika ein „großes und offenes Weltraumprojekt“ – gemeint ist eine Raumstation – in Angriff zu nehmen. Der Vorschlag dafür könnte auf dem nächsten BRICS-Gipfel im Sommer in Ufa auf die Tagesordnung gesetzt werden. Nach Ansicht von Experten könnten die drei noch ausstehenden Module für das russische ISS-Segmente den Grundstock für diese Station bilden, die als “Vorposten” für Flüge zum Mond, zu Asteroiden und zum Mars dienen soll. Möglich sei auch die Einbeziehung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in das Projekt.
Auch die geplante neue superschwere russische Trägerrakete gerät in die Kritik. „Es ist unmöglich, für einen superschweren Träger mit einer Nutzlast von 80 bis 90 Tonnen kommerzielle Nutzlasten zu finden“, zitieren Agenturen aus einer Presseinformation der WPK. Für Flüge zum Mond und in den fernen Weltraum sollte vielmehr die neue „Angara-A5“ (Foto) genutzt werden. Diese müsste aber in einer größeren Serie gebaut werden, um die Herstellungskosten zu senken, die derzeit über denen der „Proton“ liegen.
Die Antwort auf die Frage, welche Richtung Russland nach der jüngsten Neuorientierung der Branche einschlägt, gibt das neue Föderale Raumfahrtprogramm (FKP) für die Jahre 2016-25, das demnächst der Regierung zur Entscheidung vorgelegt werden soll.
(c) Gerhard Kowalski