Paris, 16. Januar 2015 — Der scheidende Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA hofft auf den Nobel-Preis für die „Rosetta“-Mission. Die Landung auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko im vergangenen Jahr sei dieses Preises würdig, sagte Dordain am Freitag in Paris bei seiner letzten Neujahrspressekonferenz. Die Mission liefere der Wissenschaft Arbeit für Jahrzehnte.
Zugleich zeigte sich der ESA-Chef darüber frustriert, dass seit der Landung von „Philae“ nur wenige Bilder veröffentlicht wurden. Das liege daran, dass die Satellitenplattform und die Trägerrakete von der ESA stammten, die wissenschaftlichen Instrumente indes von einzelnen Ländern. Diese hielten die Daten zurück, um sie erst in Ruhe auswerten zu können.
2015 wird nach Ansicht von Dordain das Jahr der Herausforderungen . „Ich bin aber überzeugt, dass wir sie alle bestehen werden“, betonte er. Am 30. Juni werde er sein Amt an den derzeitigen Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner, übergeben, bei dem die ESA dann „in guten Händen“ sei.
Dordain teilte mit, dass für die ESA-Programme in diesem Jahr 4,43 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, 8 Prozent mehr als 2014. Mit 28,3 Prozent der Mittel fließe der Löwenanteil in die Erdbeobachtung, gefolgt vom Satellitennavigationssystem „Galileo“ (15 Prozent), den Trägerraketen (14 Prozent), der Wissenschaft (11,5), den bemannten Flügen (8,5 Prozent) und der Telekommunikation (7 Prozent). Die Serie der Starts für die unterschiedlichsten Satelliten auf dem europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guyana) beginne am 11. Februar mit der leichten Trägerrakete „Vega“. Zudem hoffe er, dass noch vor Jahresmitte die Verträge mit der Industrie über den Bau der neuen Trägerrakete Ariane 6 geschlossen werden, die 2020 zur Verfügung stehen und um den Faktor 2 billiger als ihr Vorgänger Ariane 5 sein soll.
Der ESA-Chef bestätigte, dass die US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA bisher nur ein Service-Modul (MPCV) für ihre neue bemannte „Orion“-Kapsel bestellt hat, die 2018 das erste Mal unbemannt getestet werden soll. Über weitere Module werde aber gesprochen. Dabei gehe es auch darum, diese möglicherweise gemeinsam und/oder in verbesserter Ausführung zu bauen. Dordain äußerte zudem die Hoffnung, dass sich diese bislang technische Kooperation zwischen ESA und NASA um den Mitflug von ESA-Astronauten etwa zum Mond erweitern werde.
Für den Februar kündigte Dordain ein spektakuläres Ende des ATV-Programms an. Der fünfte und letzte automatische Frachter der Europäer, „Georges Lemaitre“, werde gezielt auf einer ganz besonderen Bahn zum Absturz gebracht, um in den dichten Schichten der Atmosphäre zu verglühen. Er simuliere damit den geplanten Absturz der ISS, der eines Tages unausweichlich sei.
Dordain kündigte zudem für 2016 eine Entscheidung der ESA darüber an, ob sie sich über 2020 hinaus an der Internationalen Raumstation ISS beteiligen werde. Bisher hätten lediglich die USA als einziger ISS-Partner formell beschlossen, die Station über 2020 hinaus zu betreiben. Der ESA-Chef zeigte sich zufrieden mit der Tatsache, dass schon bis 2017 alle sechs 2009 rekrutierten ESA-Astronauten ihren Flug zur ISS bekommen. Im Herbst 2015 sollen der Däne Andreas Mogensen – übrigens mit der britischen Sopranistin Sarah Brightman als Weltraumtouristin im Bunde – für zehn Tage und der Brite Timothy Peake für ein halbes Jahr zur Station starten. Im Zeitraum 2017 bis 2020 sollen zudem noch drei weitere Europäer zur ISS fliegen. Dazu werde man aber keine neue Ausschreibung machen, sondern auf erfahrene Astronauten aus dem ESA-Korps zurückgreifen. Damit dürfte auf längere Zeit der Traum – falls er denn beim DLR überhaupt bestand – geplatzt sein, dass Deutschland nach elf Männern endlich einmal eine Frau ins All schickt.