Moskau, 30. Dezember 2014 — Die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS könnte theoretisch 16 Mal das neue Jahr begrüßen. Denn mit ihrer Reisegeschwindigkeit von 28.000 Stundenkilometern überquert die Station knapp alle 90 Minuten die Datumsgrenze. Offiziell gefeiert wird aber wohl nur zweimal: nach Moskauer und dann noch einmal nach Greenwich-Zeit (GMT). Das heißt, für die sechs Astronauten aus Russland, den USA und Italien beginnt das Jahr 2015 um 22.00 Uhr deutscher Zeit.
Mit Sekt oder Champagner können Jelena Serowa, Anton Schkaplerow, Alexander Samokutjajew (alle Russland), Samantha Cristoforetti (ESA/Italien) sowie Barry Wilmore und Terry Virts (beide USA) aber nicht anstoßen. Denn der würde aus der Flasche schießen und sich klebrig in der ganzen Station verteilen. Zudem ist Alkohol an Bord (eigentlich) nicht erlaubt. Deshalb wird man sich mit Saft oder Wasser begnügen müssen, falls die Russen nicht doch noch etwas Hochprozentiges hervorzaubern. Dafür gibt es aber ein opulentes Festmahl, bei dem auch Kaviar nicht fehlt.
Der obligatorische Weihnachtsbaum wird unter anderem mit lustigen Plüschtieren geschmückt, wie Jelena Serowa verriet. Natürlich fehlen auch Geschenke nicht. Womit die Raumfahrer überrascht werden, ist aber ein Geheimnis.
Am Montag hatte bereits Väterchen Frost den drei Russen seine Neujahrsgrüße überbracht. Es war dies bereits das zehnte Mal, dass der russische Weihnachtsmann per Videokonferenz aus dem Flugleitzentrum (ZUP) in Koroljow bei Moskau mit seinen „himmlischen“ Landsleuten sprach.
Wie eine Sonderausstellung im „Ziolkowski“-Museum in der Stadt Kaluga bei Moskau zeigt, haben bisher 78 Raumfahrer das Neujahrsfest auf der Umlaufbahn verbracht. 40 davon waren Russen, gefolgt von 31 Amerikanern. Deutschland ist nur einmal – nämlich mit Thomas Reiter – vertreten. Die Russen Sergej Awdejew, Alexander Kaleri und Sergej Krikaljow haben zudem bereits je dreimal das neue Jahr in der Raumstation MIR begrüßt.
Den ersten Jahreswechsel auf der Umlaufbahn haben übrigens 1974 die US-Astronauten Gerald Carr, Edward Gibson und William Pogue in der Raumstation “Skylab” gefeiert. Die Russen haben 1977 mit Georgi Gretschko und Juri Romanenko in der Orbitalstation “Salut 6″ nachgezogen.
In den Anfangsjahren der Raumfahrt waren Silvesterfeiern im All eine reine Männerdomäne. Erst 1994 kam mit der Russin Jelena Kondakowa die erste Lady hinzu. Sie war mit ihren Landsleuten Alexander Wiktorenko und Waleri Poljakow in der MIR-Station unterwegs, die sie festlich geschmückt hatte. Die Männer revanchierten sich dafür mit der angeblich ersten “Weltraumtorte”. Zwölf Jahre später konnte US-Astronautin Sunita Williams als zweite Frau gemeinsam mit ihrem Landsmann Michael Lopez-Alegria und dem Russen Michail Tjurin Silvester in der ISS feiern.
Echte Weihnachtsbäume hat es in einer Station nie gegeben. Die Gefahr ist zu groß, dass sich ihre Nadeln selbstständig machen und von der Klimaanlage angesaugt werden. Deshalb greift man auf Kunststofftannen zurück. 2008 waren gleich drei davon an Bord der ISS: je eine im russischen “Swesda”- und im amerikanischen “Destiny”-Modul sowie eine an der Außenhaut der Station.
(c) Gerhard Kowalski